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== Beteiligte Einrichtungen ==
== Beteiligte Einrichtungen ==


'''Astrophysikalisches Institut Potsdam'''
'''Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP)'''
Das AIP beschäftigt sich vorrangig mit kosmischen Magnetfeldern und extragalaktischer Astrophysik. Daneben wirkt das Institut als Kompetenzzentrum bei der Entwicklung von Forschungstechnologie in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Das AIP ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam. Die Bibliothek beherbergt rund 85.000 Bände. Das AIP ist eine Stiftung privaten Rechts und ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft. Es beschäftigt zur Zeit rund 70 Mitarbeiter aus Haushaltsmitteln und etwa 80 Mitarbeiter aus Drittmitteln. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören derzeit 87 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die wissenschaftliche Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung bearbeiten.
Das AIP beschäftigt sich vorrangig mit kosmischen Magnetfeldern und extragalaktischer Astrophysik. Daneben wirkt das Institut als Kompetenzzentrum bei der Entwicklung von Forschungstechnologie in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Das AIP ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam. Die Bibliothek beherbergt rund 85.000 Bände. Das AIP ist eine Stiftung privaten Rechts und ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft. Es beschäftigt zur Zeit rund 70 Mitarbeiter aus Haushaltsmitteln und etwa 80 Mitarbeiter aus Drittmitteln. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören derzeit 87 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die wissenschaftliche Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung bearbeiten.



Aktuelle Version vom 11. Mai 2015, 14:48 Uhr

Projekt
Digitalisierung astronomischer Fotoplatten
Digitalisierung astronomischer Fotoplatten und ihre Integration in das internationale "Virtual Observatory"
Zeitraum: 01.10.2012 bis 30.09.2015
Beteiligt: Astrophysikalisches Institut Potsdam (AIP), Dr.-Karl-Remeis-Sternwarte Bamberg der Universität Erlangen-Nürnberg, Hamburger Sternwarte der Universität Hamburg
gefördert von: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Website: Projekt-Webseiten

Digitalisierung astronomischer Fotoplatten und ihre Integration in das internationale "Virtual Observatory"

Projektbeschreibung

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) digitalisiert - im Verbund mit der Hamburger Sternwarte und der Dr. Remeis-Sternwarte in Bamberg - Archiv-Bestände historischer astronomischer Photoplatten, um diese als Kulturgüter zu erhalten. Die Langzeitreihen astronomischer Beobachtungen liefern zudem wertvolle Informationen, die mithilfe moderner astronomischer Datenverarbeitungsmethoden gesichert werden können. Das Projekt wird von der DFG unterstützt.

Beteiligte Einrichtungen

Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) Das AIP beschäftigt sich vorrangig mit kosmischen Magnetfeldern und extragalaktischer Astrophysik. Daneben wirkt das Institut als Kompetenzzentrum bei der Entwicklung von Forschungstechnologie in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Das AIP ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam. Die Bibliothek beherbergt rund 85.000 Bände. Das AIP ist eine Stiftung privaten Rechts und ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft. Es beschäftigt zur Zeit rund 70 Mitarbeiter aus Haushaltsmitteln und etwa 80 Mitarbeiter aus Drittmitteln. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören derzeit 87 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die wissenschaftliche Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung bearbeiten.

Sternwarte der Universität Hamburg Die Hamburger Sternwarte ist ein Institut des Fachbereichs Physik der Universität Hamburg. Sie wurde 1833 als Staatsinstitut der Stadt Hamburg gegründet und ist seit 1968 Teil der Universität. Die Sternwarte beschäftigt 14 fest angestellte Wissenschaftler, von denen 10 die Lehre in Astronomie und Astrophysik im Rahmen des Studiengangs Physik durchführen. Weiterhin sind 33 aus Drittmitteln beschäftigte Wissenschaftler tätig. Forschungsschwerpunkte sind die Aktivität von Sternen, die Modellierung von Atmosphären von Sternen und Exoplaneten, sowie Kosmologie und Aktive Galaxienkerne.

Dr.-Karl-Remeis-Sternwarte Bamberg der Universität Erlangen-Nürnberg Die Dr. Remeis-Sternwarte ist das Astronomische Institut der Universität Erlangen-Nürnberg. Die Dr.Remeis-Sternwarte wurde 1889 als private Institution gegründet. 1962 wurde sie in die Universität Erlangen-Nürnberg als Astronomisches Institut in der Naturwissenschaftlichen Fakultät integriert. Seit 2007 ist das Astronomische Institut Mitglied des Erlangen Centre of Astroparticle Physics (ECAP). Die 5,5 aus Haushaltsmitteln beschäftigten Wissenschaftler an der Sternwarte sind auch für die Lehre der Astronomie und Astrophysik an der Universität Erlangen verantwortlich. Darüberhinaus gibt es 12 aus Drittmitteln beschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter. In der Forschung liegen die Schwerpunkte auf den Gebieten Hochenergieastrophysik mit Röntgenteleskopen, der Untersuchung akkretierender Neutronensterne und schwarzer Löcher, der Spätphasen der Sternentwicklung und des kosmischen Materiekreislaufs.

Hintergrund

Etwa bis in die Mitte der 90er Jahre bildeten fotografische Platten das Hauptwerkzeug astronomischer Beobachtungen. Ein Großteil der Entdeckungen beruht auf direkten fotografischen Aufnahmen des Himmels oder auf fotografischen Aufnahmen von Spektren. Die Fotoplattenarchive dokumentieren eine beeindruckende Geschichte des Himmels und der Astronomie, aber auch der Fotografie über mehr als 100 Jahre. Eine Gesamtzahl von über 400.000 Fotoplatten liegt in den Archiven der deutschen Sternwarten. Sie bilden damit ein Viertel der im gesamten Europa aufbewahrten Platten. Deutschland trägt hier Vorreiterrolle bei der Aufarbeitung dieser wissenschaftlichen und wissenschaftshistorischen Dokumente. Zu den Fotoplatten gehören in den meisten Fällen Logbücher, in denen die Beobachter Randinformationen und Notizen zu den Platten und ihrer Arbeit niederschrieben.

Die Himmelsaufnahmen dokumentieren die Arbeit von mehreren Generationen von Wissenschaftlern und zeigen eine ganze Epoche wissenschaftlicher Entwicklung auf. Ebenso unschätzbar ist aber auch der wissenschaftliche Wert dieser Sammlung, da jede Himmelsaufnahme eine einmalige Beobachtung zu einem bestimmten Zeitpunkt darstellt und damit ein Messpunkt für langfristige Variabilität (Ort und Zeit) existiert.

Während sich der überwiegende Teil der Platten in recht gutem Zustand befindet, beginnen die ältesten Dokumente jedoch erhebliche Alterserscheinungen zu zeigen. Typischerweise stellen wir das Ablösen der Emulsion von der Glasplatte fest sowie Verschiebungen von Teilen der Emulsion gegeneinander. Dies zeigt, wie dringend die Digitalisierung der Fotoplatten ist, um ihren historischen und wissenschaftlichen Wert zu erhalten.

Dazu kommt die Problematik der Aufbewahrungshüllen für die Platten, wobei der verwendete Klebstoff eine chemische Reaktion der Emulsion hervorrufen kann. Während also die Qualität der Fotoplatten abnimmt und sich die Zahl der Wissenschaftler, die sich noch mit Fotoplatten auskennen, deutlich verringert hat, sind die technischen Möglichkeiten des Scannens derart günstig geworden, dass der ideale Zeitpunkt erreicht ist, um eine Digitalisierung, die nicht nur den Erhalt der Information sichern soll, sondern auch eine breite Nutzung dieser Informationen ermöglicht, in Angriff zu nehmen.

Wissenschaftliche Motivation

Die Erschließung, Digitalisierung und Integration in ein Web-Portal erlaubt eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten. Neu entdeckte Asteroiden, die die Erdbahn kreuzen, stellen zum Beispiel eine potentielle Gefahr dar, die sich jedoch anfangs schwer abschätzen lässt. Eine hochgenaue Bahnberechnung – und damit die Entscheidung, ob ein Einschlag stattfinden wird oder nicht – ist jedoch nur möglich, wenn der Asteroid über einen langen Zeitraum beobachtet wird. Findet man den Asteroiden auf einer alten, digitalisierten Fotoplatte, lässt sich die Asteroidenbahn hochgenau festlegen.

Ein weiteres Beispiel betrifft die periodische magnetische Aktivität der Sonne, die man auch auf einer Vielzahl von anderen Sternen beobachtet. Aus den Helligkeitsänderungen der Sterne über 100 Jahre kann man z.B. auf weitere Aktivitätszyklen zurückschließen und etwas über den Mechanismus, der sie antreibt, lernen. Variationen auf jahrzehntelangen Zeitreihen sind bisher wenig untersucht (z.B. durch Fröhlich et al. 2002, 2006). Von besonderem Wert sind auch die mit Objektivprismenplatten gewonnenen Spektren von Sternen, die die nachträgliche Charakterisierung eines Objektes ermöglichen würden, das in späterer Zeit als Nova oder Supernova entdeckt wird. Solange aber die Information, dass es eine bestimmte Fotoplatte gibt, wann und wie sie aufgenommen wurde und wie sie letztendlich aussieht, nicht abrufbar ist, ist dieses Archiv wissenschaftlich kaum nutzbar.

Die Spektren von Sternen sind jedoch noch aus einem völlig anderen Grund hochinteressant: Das Licht der Sterne wird in seine Anteile zerlegt, um die chemischen Elemente an den Sternoberflächen zu bestimmen. Da das Licht aber die Erdatmosphäre durchläuft, enthält das Spektrum auch Signaturen der Bestandteile der Atmosphäre. Anhand der Spektren lassen sich Veränderungen der Ozonschicht über Deutschland bis zu 130 Jahre zurückverfolgen.

Wissenschaftshistorisch ist die Zusammenarbeit einiger deutscher Sternwarten in einer weltweit ersten großen internationalen Kollaboration von großer Bedeutung – der Carte du Ciel mit Fotografien aus den Jahren 1891‒1950. Hier wurden hochpräzise Fotoplatten vom gesamten Himmel erstellt, um einen vollständigen fotografischen Atlas des Himmels zu erhalten.

Verfügbare Materialien

  • Potsdamer Plattensammlung

Im Bereich großflächiger Himmelsaufnahmen sind 13 Archive mit insgesamt etwa 9000 in Potsdam belichteten Fotoplatten erfasst, die im Zeitraum von 1879 bis 1970 aufgenommen wurden. Das schließt auch Platten ein, die aus historischen Gründen jetzt in Sonneberg oder Leiden untergebracht sind. Die 12 Archive ergeben sich aus der Zuordnung zu verschiedenen Teleskopen bzw. Zusatzgeräten, an denen die Platten belichtet wurden. Es sind dies allein die Aufnahmen mit Gesichtsfeldern ab ca. 1° (sogenannte wide-field plates).

Darunter befinden sich sowohl Platten, die von der Arbeit historisch bedeutsamer Astronomen wie Ejnar Hertzsprung oder Karl Schwarzschild zeugen, aber auch ein größerer Umfang an Platten aus historischen Beobachtungsprogrammen. Zu diesen Programmen gehört das oben genannte internationale Projekt Carte du Ciel. Etwa 1000 Platten der Potsdamer Zone dieses Programms sind erhalten. Weiterhin finden wir noch 67 Platten des ältesten Potsdamer Archivs, aufgenommen von Oswald Lohse mit einer eigens von ihm konstruierten Kamera in der Zeit von 1885 bis 1889, und 427 Platten der Kapteyn Himmelsdurchmusterung. Oswald Lohses Fotoplatten sind gleichzeitig die ältesten erhaltenen Aufnahmen in Deutschland. Wissenschaftshistorisch interessant ist auch die Zusammenarbeit der Sternwarten Bamberg, Sonneberg und Potsdam im so genannten Felderplan mit Ernostar-Kameras.

Die digitale Erfassung der Archive sowie die Digitalisierung der Carte-du-Ciel-Platten wurden im Rahmen eines kleineren DFG-Projekts auf bilateraler Ebene mit dem Astronomischen Institut der Akademie der Wissenschaften Bulgariens in Sofia bereits durchgeführt. Die Daten dieses Projektes können im Internet über http://vo.aip.de/plates/ abgerufen werden. In einem derzeit laufenden Folgeprojekt dazu sollen die Kapteyn-Platten digitalisiert werden und in das "Virtual Observatory" aufgenommen werden. Außerdem sind weitere Arbeiten zur Digitalisierung der handgeschriebenen Logbücher geplant. Bisher wurden alle Archive per Hand von den Kollegen aus Sofia erfasst und in die Wide Field Plate Database (WFPDB, http://www.skyarchive.org, Zugriff auch über Potsdam http://vodata.aip.de/WFPDBsearch/) mit Sitz in Sofia eingepflegt. Für die Daten des Carte du Ciel ist auch ein astrometrischer Check durchgeführt worden, der die Konsistenz für astronomische Positionsmessungen bewertet. Ziel ist eine digitale Crossreferenz von den wissenschaftlichen Daten der Platte zu dem Eintrag im Logbuch und umgekehrt. Erste Tests dazu sind Teil des derzeitigen bilateralen Projektes.

  • Hamburger Plattensammlung

Das Fotoplattenarchiv der Hamburger Sternwarte umfasst ca. 35.000 Fotoplatten unterschiedlicher Größen (von 6cm × 9cm bis 30cm × 40cm). Anfang des 20.Jahrhunderts ist die Sternwarte auf den Gojenberg umgezogen, ca. 20 km vom Stadtzentrum entfernt. Mit den neu aufgebauten Teleskopen wurden bereits 1911 die ersten Fotoplatten am 1-m-Spiegelteleskop (insgesamt ca. 10.000 Fotoplatten) aufgenommen. Ab 1912 kam der Lippert-Astrograph hinzu (ca. 9000 Fotoplatten). Weitere Sammlungen stammen vom Großen Refraktor und dem 1934 von Bernhard Schmidt fertiggestellten Doppelreflektor. Dabei sind die Fotoplatten, die aus langen Zeitreihen derselben Himmelsgegend stammen, besonders wertvoll. Der größte Teil der jüngeren Fotoplatten stammt vom Großen Schmidt-Spiegel, der 1954 in Betrieb genommen wurde und 1974 auf den Calar Alto (Spanien) verlagert wurde. Etwa 2000 dieser Platten wurden im Rahmen des Hamburg Quasar Surveys digitalisiert und sind bereits über ein digitales Archiv über ein Internet-Portal zugreifbar.

Die wissenschaftliche Nutzbarkeit der bisher gewonnenen Daten ist sehr vielversprechend. Um einen Vergleich der Aufnahmequalität über die Jahrzehnte hinweg zu erhalten, wurde eine zweistündige Belichtung der Galaxie M101 mit dem 1-m-Spiegelteleskop von 1914 verglichen mit einer Aufnahme des Hamburger Schmidt-Spiegels auf der Sternwarte Calar Alto in Spanien auf einer hypersensibilisierten Emulsion (40 Min.) aus dem Jahr 1990. Der Vergleich zeigt, dass die frühen Aufnahmen bereits eine hohe Qualität hatten und damit wissenschaftlich nutzbar sind.

Zu den ersten Aufnahmen, die mit dem damals neuen Lippert-Astrographen gemacht wurden, gehören Fotoplatten der Nova Geminorum 1912, eines enormen Helligkeitsausbruchs eines Sterns, wie er nur selten in unserer astronomischen Nachbarschaft auftritt. Die Hamburger Beobachtungen lieferten Sternspektren über mehr als ein Jahr. Man versucht heute, diese Nova-Ausbrüche mit Computer-Simulationen zu verstehen, für die die Nova Geminorum von 1912 als reales Vergleichsobjekt herangezogen werden kann.

Daher hat die Hamburger Sternwarte in einem Pilotprojekt untersucht, ob die derzeitigen technischen Möglichkeiten eine Digitalisierung des Hamburger Plattenarchivs sinnvoll erscheinen lassen und wie groß der benötigte Zeitaufwand und Hardwarebedarf sind. Zusätzlich sollten diese digitalisierten Aufnahmen später für die Wissenschaft nutzbar im Web veröffentlicht werden, insbesondere muss die Suche nach einzelnen Fotoplatten und nach verschiedenen Kriterien ermöglicht werden. Am besten sollte die Datenbasis dazu ins German Astrophysical Virtual Observatory (GAVO) eingebunden werden.

  • Bamberger Plattensammlung

Die Fotoplattenarchive des Astronomischen Instituts der Universität Erlangen-Nürnberg und des Erlangen Center for Astroparticle Physics beherbergen die Ausbeute zweier Himmelsdurchmusterungen aus der Zeit 1925–1976 mit insgesamt 40.000 Fotoplatten unterschiedlicher Formate und Emulsionen. Ziel der Himmelsdurchmusterungen war die Suche nach veränderlichen Sternen (z.B. durch Zinner 1938). Etwa 1700 solcher Sterne wurden dabei entdeckt, die als Bamberger Veränderliche in die Literatur eingegangen sind.

Nordhimmel – Die Durchmusterung des nördlichen Sternhimmels begann 1925 als Gemeinschaftsprojekt mit Potsdam und Sonneberg, dem so genannten Felderplan, und deckt den gesamten Nordhimmel ab. Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Teleskope und Kameras in Bamberg eingesetzt. Auch sind Fotoplatten unterschiedlicher Hersteller und unterschiedlicher Emulsionen eingesetzt worden. Das Archiv des Nordhimmels ist daher sehr inhomogen. Das umfangreichste Teilarchiv ist das des Felderplans mit knapp 6000 Platten. Eine Digitalisierung des gesamten Nordhimmelarchivs und der unterschiedlichen Qualität des Materials ist aufwändiger als die des Südhimmels. Daher würde zunächst mit der Digitalisierung der Felderplan-Platten begonnen. Da der Nordhimmel auch in den Archiven anderer Sternwarten gut abgedeckt ist, räumen wir der Digitalisierung der restlichen Platten des Archivs des Nordhimmels zweite Priorität ein.

Südhimmel – Von 1963 bis 1976 führte das astronomische Institut mit finanzieller Unterstützung durch die DFG eine Durchmusterung des Südhimmels durch, überwiegend am Boyden Observatorium (Südafrika), aber auch am Mount-John-Observatorium (Neuseeland) und San Miguel (Argentinien). Astrographen mit bis zu 20 Kameras wurden eingesetzt, um einen Großteil des Südhimmels zu überwachen. Mehr als 20.000 Platten wurden aufgenommen. Da die gleichen Weitwinkelkameras eingesetzt wurden, ist dieses Teilarchiv sehr homogen (19.000 Platten des Formats 16cm×16cm und 2000 großformatige Platten des Metcalf-Teleskops (25cm×20cm). Das Südhimmelarchiv ist weltweit einzigartig, da es in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts das einzige Überwachungsprojekt am Südhimmel war. Es füllt die zeitliche Lücke zwischen den Aktivitäten der Harvard-Universität, die Ende der 1950er endeten, und dem Operationsbeginn der Europäischen Südsternwarte (ab 1969) in Chile und Aktivitäten anderer Sternwarten. Im Rahmen der Pilotprojekte sind bisher ca. 500 Platten digitalisiert worden. Die Datenanalyse zeigt eine erstaunlich gute fotometrische Genauigkeit von 5%. Nach unseren Erfahrungen könnten ca. 500 Platten/Monat digitalisiert werden. Mit dem neuen Scanner wird es möglich sein, das Südhimmelarchiv in 2,5 Jahren vollständig zu digitalisieren.

Bis 2006 war das Bamberger Fotoplattenarchiv in unzureichenden Räumen gelagert, teilweise unzusammenhängend im Institut verteilt. Durch Umwidmung und Umgestaltung zweier ehemaliger Werkstatträume ist es gelungen, alle Plattenbestände und alle damit im Zusammenhang stehenden Materialien zusammenzutragen und unter wesentlich besseren Bedingungen (bez. Temperaturkonstanz, Luftfeuchte) zu lagern.

In Zusammenarbeit mit der bulgarischen Akademie der Wissenschaften konnten bereits die Metadaten von 85% der 40.000 Fotoplatten digital erfasst und in einem Standardformat über eine Datenbank der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Die Erfassung, Korrekturen und Datenbankeintragung haben etwa fünf Jahre eines Wissenschaftler-Vollzeitäquivalents benötigt.

Im Rahmen zweier Pilotprojekte wurde untersucht, inwieweit die vorhandenen Himmelsdurchmusterungsplatten für moderne wissenschaftliche Untersuchungen geeignet sind. Dazu wurde 2003 ein Präzisions-Scanner Epson Expression 1640 XL durch eine Sachbeihilfe der DFG beschafft.

Vorarbeiten

Die Hamburger Sternwarte hat bereits Erfahrung mit der Digitalisierung von Schmidt-Platten im Rahmen des Hamburg Quasar Surveys (HQS) und Hamburg/ESO Surveys (HES), Objektivprismen-Durchmusterungen des Nord- und Süd-Himmels. Damals wurde zur Digitalisierung der mehr als 2000 Platten ein Mikrodensitometer PDS1010 eingesetzt, deren Scanzeiten von Schmidt-Platten (Größe: 24cm × 24cm und 30cm × 30cm) mehr als 9 Stunden betrugen. Das Digitalisierungsprojekt dauerte nahezu 10 Jahre, unter anderem auch weil durch die rasante Entwicklung der Speichertechnologien Beschränkungen in der Scanauflösung nach und nach aufgegeben wurden. Eine Digitalisierung des gesamten Hamburger Plattenbestandes ist mit dieser Technik nicht realisierbar.

Moderne Scanner, wie insbesondere der Epson Expression 10000XL, brauchen für den Scan einer Fotoplatte nur wenige Minuten und das bei einer Auflösung von 2400dpi × 2400dpi (vergleichbar zur PDS). Der gegenüber der PDS etwas geringere Dynamikbereich fällt dabei nicht ins Gewicht, da die meisten älteren Fotoplatten für eine visuelle Auswertung aufgenommen wurden und hohe fotografische Dichten selten vorkommen.

Da heute in der Astronomie ausschließlich CCDs zur Fotografie eingesetzt werden, sind bereits heute nur noch wenige Mitarbeiter im Dienst, die Erfahrungen im Umgang mit klassischen Fotoplatten haben. Besonders sei hier Hamburger Sternwarte herausgestellt, die Erfahrungen aus mehr als 35 Jahren Arbeit mit Fotoplatten einbringt. Bereits 1973 wurde mit der Digitalisierung von Sternspektren begonnen und die Wellenlängenabhängigkeit der Schwärzungskurve untersucht, die besonders bei Spektren wichtig ist und für die im Allgemeinen nicht für alle Wellenlängenbereiche brauchbar belichtete Kalibrationsplatten vorlagen.

Im Jahre 1984 wurde in Hamburg ein Projekt geplant, das mit DFG-Mitteln begonnen wurde, um auf digitalisierten Schmidt-Platten per Software nach Kandidaten für sehr ferne, junge Galaxien (Quasare) zu suchen. Im Rahmen dieses Projektes (Hamburger Quasar Survey) wurden ca. 2500 Fotoplatten auf der Sternwarte Calar Alto (Spanien) belichtet und mit dem Mikrodensitometer PDS G1010 digitalisiert. Auf diese Daten kann bereits über das Internet zugegriffen werden. Im Jahre 1992 wurde zusätzlich der Hamburg/ESO-Survey begonnen, ein ähnliches Projekt am Südhimmel. Schließlich wurde 2009 ein kleines Pilot-Projekt gestartet, das die Machbarkeit der Digitalisierung des Fotoplattenarchivs inklusive Log-Bücher und Plattenhüllen mit einem modernen Flachbett-Scanner untersuchen sollte, bei einer gleichzeitigen Präsentation aller relevanten Daten in einem Web-Portal. Erste Erfahrungen und Ergebnisse belegen die Machbarkeit und die hohe Qualität der Daten.

An der Sternwarte in Bamberg sind in einer ersten Studie in Zusammenarbeit mit der bulgarischen Akademie der Wissenschaften von 2003 bis 2006 ca. 500 Fotoplatten digitalisiert worden. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit hat Ana Borisova während eines halbjährigen Aufenthalts in Bamberg die Lichtkurvenanalyse eines sehr jungen veränderlichen Sterns mit Helligkeitsausbrüchen durchgeführt. Die Bamberger Fotoplatten füllen die Lücke in der Lichtkurve des Sterns zwischen 1963 und 1976 und zeigen extreme Helligkeitsvariationen. Die Zeiten zwischen den Ausbrüchen sind die längsten unter allen Vertretern dieses Sterntyps. Nur mit historischen Fotoplatten können solche langen Perioden aufgedeckt werden.

Seit 2009 wird in Bamberg in Zusammenarbeit mit der tschechischen Akademie der Wissenschaften die Tauglichkeit des Bamberger Archivs für eine Suche nach sogenannten Optical Transients geprüft. Dies sind eruptive Phänomene unterschiedlicher Ursache. Dazu gehört auch das Nachleuchten von gewaltigen Sternexplosionen in großen Entfernungen. Im Rahmen eines Jugend-forscht-Projekts sind hier zwei Bamberger Gymnasiasten beteiligt, die anhand der Aufzeichnungen in den historischen Logbüchern auf den Fotoplatten fast 200 Kandidaten identifizierten. Die Platten wurden digitalisiert und mit moderner Bildverarbeitungssoftware analysiert.

Auch an anderen Sternwarten wurden bereits Fotoplatten digitalisiert. Hervorzuheben sind hier die große Sammlung der Sternwarte Sonneberg, die Plattenarchive in Heidelberg, die gemeinsam vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg und vom Max-Planck-Institut für Astrophysik bearbeitet werden, sowie die Fotoplatten des Argelander-Instituts für Astronomie der Universität Bonn.

Ziel

Im angestrebten Projekt soll ein wesentlicher Teil der fotografischen Plattensammlungen dreier astronomischer Institute in Deutschland gescannt werden. Ziel ist es, durch sehr hochwertige Digitalisate die physischen Fotoplatten praktisch zu ersetzen. Jede Platte wird mit einem Satz von Dateien durch eine Datenbank verknüpft, die die zugehörigen Metadaten in Form von OAI-PMHStrukturen oder eines VOTable exportieren kann. Das Projekt wird damit eine exemplarische Vorgehensweise demonstrieren und entwickeln, nach der weitere Archive in Deutschland digital aufgearbeitet werden können. Das Projekt dient gleichermaßen dem Erhalt der unikalen Fotoplatten, bei denen bereits Alterungserscheinungen einsetzen wie auch der dauerhaften Verfügbarmachung der wissenschaftlichen Informationen, die in den Platten enthalten sind. Zukünftige Entdeckungen erfordern in vielen Fällen den Vergleich mit älteren Aufnahmen, so dass das Projekt auf eine langfristige Speicherung der Daten und Vernetzung mit anderen astronomischen Servern ausgelegt ist.

Umsetzung, Maßnahmen und Erfassung der Daten

  • Die Koordination wird vom PI am Institut in Potsdam durchgeführt.
  • In jedem Institut soll es je eine Postdoktorandenstelle zur wissenschaftlichen Betreuung der Digitalisierung geben. Die Erstellung der Metadaten erfordert astronomische Kenntnisse, wie sie von einem technischen Mitarbeiter nicht erwartet werden können. In Bamberg und Potsdam müssen diese Stellen durch beantragte Personalmittel eingerichtet werden. Im Hamburg kann auf das Knowhow eines der Antragsteller zurückgegriffen werden.
  • Die eigentlichen Scanvorgänge werden von nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern durchgeführt. Dabei werden sie zum Teil von studentischen Hilfskräften unterstützt.
  • Das AIP, die Remeis-Sternwarte Bamberg und die Hamburger Sternwarte verfügen über eine umfassende informationstechnologische Infrastruktur, die sowohl die Speicherung von Daten als auch eine breitbandige Anbindung an das Internet durch das Deutsche Forschungsnetz (DFN) beinhaltet.
  • Hamburg: Wegen der großen Menge der mehrheitlich nicht erfassten Metadaten (ca. 8000 Platten in der Wide-Field Plate Database), der zum Teil sehr großen Platten (bis 30cm Kantenlänge) und der Vielfältigkeit der Platten, werden in Hamburg zwei nichtwissenschaftliche Mitarbeiter für die Digitalisierung und Metadaten-Erfassung nötig sein. Schätzungsweise 70% der Platten können innerhalb dieses Projekts gescannt werden; den verbleibenden Teil wird die Hamburger Sternwarte im Anschluss digitalisieren.
  • Bamberg: Hier sind dagegen rund 85% der Metadaten erfasst, die Platten des Südhimmelarchivs sind deutlich kleiner (rund 19.000 Platten haben das Format 16cm × 16cm, etwa 2000 Platten haben das Format 20cm × 25cm) und viel homogener, so dass trotz ähnlicher Plattenanzahl wie in Hamburg nur ein nichtwissenschaftlicher Mitarbeiter bnötigt wird. Ziel ist es, auf jeden Fall das wertvolle Plattenarchiv des Südhimmels vollständig zu digitalisieren.
  • Potsdam: Die Anzahl der Platten ist hier geringer als in den beiden anderen Einrichtungen, das Archiv ist jedoch sehr inhomogen und enthält darüberhinaus die ältesten Platten, die mit besonderer Vorsicht behandelt werden müssen. Es wird daher ein nichtwissenschaftlicher Mitarbeiter beantragt, zur Unterstützung stellt das AIP Mittel für studentische Hilfskräfte für den Antragszeitraum bereit.
  • Verwendung von Flachbettscannern: Aufgrund der ersten Erfahrungen, die in Potsdam, Bamberg und Hamburg mit Flachbettscannern gesammelt wurden, wird die Benutzung eines Epson Expression 10000XL inklusive Durchlichteinheit im A3-Format angestrebt. Es sollen spezielle, auf die Größen der Platten angepasste Rahmen gefertigt werden, die sowohl die Platte selbst wie auch einen Graukeil zur Kalibrierung der Scanner aufnehmen. Als Graukeile sollen die Typen TG13 und TG21S der Firma DANAS.com (Prag) eingesetzt werden.

An der Hamburger Sternwarte wurden für das Scan-Projekt Eignungs-Tests mit dem genannten Scanner durchgeführt. Bei einem Vergleich der Digitalisate mit den Scans des Mikrodensitometers PDS1010 konnte festgestellt werden, dass die fotometrischen Eigenschaften sehr gut sind, ebenso die Auflösung und Schärfe. In der Astronomie ist die Positionsbestimmung von Objekten ein außerordentlich hochentwickeltes Verfahren, dessen Genauigkeit vielfach unter die des Abtastrasters (Subpixel-Genauigkeit) reicht. Für diese so genannten astrometrischen Zwecke muss eine Platte allerdings zweimal gescannt werden, wobei zwischendurch die Fotoplatte um 90° gedreht wird. Damit können Verzerrungen durch die ungleichmäßige Scan-Geschwindigkeit korrigiert werden. Entsprechende Untersuchungen sind bereits durchgeführt worden. Die Astrometrie kann zum Beispiel über eine Software laufen, die Objekte in den Bilddateien automatisch findet und mit Katalogen identifiziert. Eine Lösung liegt mit Sextractor bereits vor. Eine entsprechende Lösung für um 90° gedrehte Scans ist von überschaubarem Aufwand und kann von einer studentischen Hilfskraft erstellt werden und zu einer Master-Arbeit führen.

Der größte Zeitaufwand des Scan-Projekts liegt beim Scannen (Platten, Logbücher, Hüllen) und der Fotoplattenhandhabung (Holen, Ein-, Auspacken, Reinigen, Wegbringen). Dazu kommen noch die Scanner-Bedienung und das Erstellen der Metadaten sowie die Qualitätssicherung, also die Überprüfung der Daten. Alle anderen Prozesse können mehr oder weniger automatisch im Rechner ablaufen, nachdem die notwendige Software und die Skripte entwickelt sind.

Der Bearbeitungsvorgang für eine Fotoplatte besteht aus den folgenden Schritten:

  • Auspacken der Platte und Identifikation der Glasrückseite. Für das Ab- und Auflegen empfiehlt sich ein Sauger, um die Glasoberfläche des Scanners vor Kratzern zu schonen.
  • Eine trockene Reinigung von Staub
  • Ein Scan der Rückseiten der Platten mit mittlerer Auflösung (300dpi × 300dpi), um die Beschriftungen zu erfassen. Markierungen und sonstige Beschriftungen sind von großem historischen Wert, da man durch sie die mit den Platten gemachten Entdeckungen unter Umständen sehr genau nachvollziehen kann.
  • Eine feuchte Reinigung der Platten; Markierungen gehen dabei verloren, sie würden jedoch andernfalls wissenschaftlichen Gehalt verdecken. Diese sollte mit einem Mikrofasertuch erfolgen. Als Reinigungsflüssigkeiten haben sich Wasser und reiner Alkohol bewährt.
  • Ein hochaufgelöster Scan (2400dpi × 2400dpi) in der ersten Plattenpositionierung. Als Absprache soll hier gelten, dass die Beschriftung in Scan-Richtung zu liegen kommt.
  • Zweiter hochaufgelöster Scan (2400dpi × 2400dpi) mit um 90° gedrehter Platte. Die Beschriftung liegt nun quer zur Scan-Richtung und beginnt am Scanner-Nullpunkt.
  • Scans mittlerer Auflösung (300dpi × 300dpi) der Plattenhüllen
  • Scans mittlerer Auflösung (300dpi × 300dpi) der Logbuch-Einträge
  • Klartexterfassung des Logbuch-Eintrags in UTF-8-Kodierung; eine präzisere Kodierung mit größerer Zeichenvielfalt, z.B. zur Darstellung der Sütterlinschrift, ist nicht erforderlich, Vervollständigung des Metadaten-Satzes
  • Verpackung der Platten in den unten aufgeführten Hüllen und Ablage im Plattenarchiv
  • Aktualisierung der Liste gescannter Platten

Die Emulsionen für Fotoplatten waren im ständigen Wandel, da es immer auf maximale Empfindlichkeit und auf den überdeckten Spektralbereich ankam. Will man die gewonnenen Daten kalibrieren, um sie z.B. in Intensitäten umzurechnen, muss man die Schwärzungskurve kennen, eine charakteristische Kurve, die jeder gemessenen Schwärzung einen Intensitätswert oder eine Helligkeit zuordnet. Diese Schwärzungskurve hängt von der verwendeten Emulsion, der Belichtungsdauer, der Vorbehandlung (z.B. Hypersensibilisierung), der Entwicklung ab, und die Steigung, also der mittlere lineare Teil des Anstiegs, ist zudem eine Funktion der Wellenlänge. Um diese Kurve nicht noch durch die Scanner-Charakteristik zu verfälschen, ist besonders darauf zu achten, dass vor dem Digitalisieren Gamma immer gleich 1,00 gesetzt ist.

Sehr zeitaufwändig und fehleranfällig ist das Erstellen der Meta-Dateien. In dieser sollen möglichst alle Daten, die für Suchkriterien wichtig sind, in einer Zeile zusammengefasst werden. Da solche Daten mal auf der Plattenhülle, mal im Logbuch stehen oder auch fehlen oder auch nur einmal in der Nacht aufgeschrieben wurden, müssen diese Daten zusammengetragen und eingegeben werden.

  • Ausgabefiles:

Während die Scan-Software zunächst ein TIFF oder PNG-Bild liefert, wird das endgültige Bild im für Astronomen üblichen FITS-Format abgelegt. Das sog. Flexible Image Transport System (FITS) ist ein 1979 entwickeltes Format, das im Klartext lesbare Metadaten mit binären Bilddaten kombiniert. Nahezu alle astronomischen Daten aus der jüngeren Vergangenheit liegen im FITS-Format vor. Da die Binärdaten-Struktur im Header definiert wird, besteht keinerlei Beschränkung in der Bittiefe, nicht einmal eine auf zweidimensionale Bilder. Sämtliche Auswertesoftware erwartet das FITS als Eingabeformat. Eine entsprechende Konvertierungsroutine in das FITS-Format ist speziell für die Fotoplatten in einem DFG-Projekt bereits entwickelt worden und nimmt zusätzlich die zur Fotoplatte gehörigen Metadaten in das FITS-File auf. Die Metadaten werden dem Standard des German Astrophysical Virtual Observatory (GAVO) entsprechen. Eine Konvertierung in für Webbrowser geeignete Formate wie PNG oder JPG ist jederzeit möglich, diese müssen jedoch wegen der Größe der Originalfiles vorgehalten werden und können nicht on-the-fly erzeugt werden.

Die Größe der FITS-Files liegt bei etwa 430 MB für eine Platte mit den Abmaßen 16cm × 16cm; das FITS-File einer Platte mit 20cm × 20cm Kantenlänge ist etwa 690 MB groß. Die größten Platten des Hamburger Schmidt-Teleskops liefern eine Dateigröße von 1 GB für das entsprechende FITS-File. Bei einer Gesamtmenge von rund 10.000 (Potsdam) + 40.000 (Bamberg) + 35.000 (Hamburg) Platten und einer mittleren Dateigröße von 500 MB wird eine Gesamtkapazität eines zentralen Servers von etwa 50 TB nötig.

Von großer Bedeutung ist es, neben den Scans der Fotoplatten auch Scans der Logbuch-Einträge anzufertigen. Die entstehenden Files müssen mit den eigentlichen Himmelsaufnahmen durch geeignete Metadaten-Strukturen verknüpft werden. Eine automatische Erfassung des Inhalts (OCR) ist nach bisherigen Erfahrungen nicht möglich. Es muss daher auch die manuelle Eingabe der Logbuch-Daten und -texte in ein Text-File (UTF-8-kodiert) eingeplant werden. Eine komplette Transkription der Logbücher erfordert jedoch einen Zeitrahmen, der über dieses Projekt hinausgeht. Es werden zunächst nur die für die Benutzung der Fotoplatte wichtigen Daten herausgeschrieben.

Produkte einer einzelnen Fotoplatte sind daher folgende Files:

  • Scan 1 mit Ausrichtung 0° mit 2400 dpi
  • Scan 2 mit Ausrichtung 90° mit 2400 dpi
  • Scan des Logbucheintrags mit 300 dpi (evtl. mehrere Seiten)
  • Inhalt des Logbucheintrags in UTF-8-Kodierung
  • Metadaten zur Verknüpfung des Datensatzes
  • Verfügbarkeit der Digitalisate:

An allen beteiligten Instituten und besonders am AIP bestehen bereits sowohl Erfahrungen als auch Verpflichtungen in der Langzeitarchivierung mit verschiedenen astronomischen Projekten. Es sind dies der Sloan Digital Sky Survey (SDSS) mit etwa 200 TB, das CLUES-Projekt mit derzeit etwa 50 TB, das MultiDark-Projekt mit derzeit rund 40 TB und die bereits digitalisierten Fotoplatten des Cartedu-Ciel-Projekts mit etwa 200 GB sowie auch ein im Aufbau befindliches Archiv der digitalisierten Aufnahmen des Sonnenteleskops im Potsdamer Einstein-Turm. Für das MUSE-Instrument wird derzeit ein Datenspeicher geplant, der auf 250 TB ausgelegt ist. Für das LOFAR-Teleskop hostet das AIP das Solar Science Data Center. Die Anschaffung eines RAID-Systems mit 50 TB inklusive Server wird vom AIP als Eigenleistung erbracht werden.

  • Erhalt der Originalobjekte:

Trotz der Digitalisierung der Platten soll auch auf eine geeignete Lagerung der Originale geachtet werden. Es werden dazu spezielle Umschläge erforderlich, die keinen Staub produzieren und die Platten nicht zu straff umschließen. Als Material wird dabei Tyvek 54 g gewählt, ein aus Polyethylenfasern thermisch verschweißtes, vliesartiges Textil. Die erwähnten Probleme mit den Klebstoffen könnten durch zu trockene Lagerung verursacht worden sein. Bei den Tyvek-Taschen wird gar kein Kleber verwendet; sie werden an den Falzen ebenfalls verschweißt. Das Material ist außerdem wasser- und reißfest sowie beschriftbar.

Vernetzung mit anderen Projekten

Die International Virtual Observatory Alliance (IVOA) ist eine weltweite Kollaboration einer großen Zahl nationaler Einrichtungen zur Standardisierung des Zugriffs auf astronomische Datenarchive aller Art (Demleitner et al. 2007). Die häufigsten Datentypen sind dabei Aufnahmen von Himmelsausschnitten sowohl im sichtbaren Licht, aber auch in anderen Wellenlängenbereichen sowie Spektren von Himmelskörpern. Beobachtungsdaten entstehen meist im Zusammenhang mit der Untersuchung eines bestimmten Himmelsobjekts, enthalten aber eine Fülle von weiteren Informationen, im einfachsten Fall durch die zusätzlichen Sterne oder Galaxien, die sich auf einer Aufnahme befinden. Das Virtual Observatory beschäftigt sich daher mit der standardisierten Schnittstelle zum Zugriff auf solche Daten und der Vernetzung von Archiven. Das deutsche Mitglied der IVOA ist das German Astrophysical Virtual Observatory (GAVO), das vom BMBF gefördert wird (Verbundforschung). Der vorliegende Antrag beschäftigt sich nicht mit der Weiterentwicklung von GAVO, sondern stellt eine Nutzung von GAVO dar, in der neu geschaffene Digitalisate nach den Standards des VO abfragbar gemacht werden, die u.a. auch die OAI-PMH Standards unterstützen. Eine erste Nutzung aus dem Kreis der Antragsteller bildet zum Beispiel das oben bereits erwähnte digitale Archiv der Platten des Carte du Ciel aus Potsdam.

Das beschriebene Vorhaben bettet sich in europaweite Bestrebungen, große Sammlungen zu digitalisieren, ein. Anknüpfungspunkte finden sich zum Beispiel aus Sicht der Art der Medien bei der Deutschen Fotothek oder aus Sicht der wissenschaftlichen Dokumentation bei der Biodiversity Heritage Library for Europe. Hauptansprechpartner sind für uns natürlich die anderen astronomischen Plattenarchive in Deutschland, z.B. die Digitalisierungsvorhaben an der Sternwarte Sonneberg und die Archive in Heidelberg.

Die beiden beantragten Postdocs (Potsdam und Bamberg) werden in ca. 50% ihrer Arbeitszeit an Datenbanken für die Speicherung der Metadaten mit Verlinkungen auf die Digitalisate arbeiten. Zusammen mit GAVO wird eine weitere Anpassung der Metadaten und der FITS-Header vorgenommen. Über GAVO wird zudem – wie schon bei den Daten des Carte du Ciel – ein astrometrischer Check der Daten vorgenommen. Zu den entscheidenden Funktionalitäten des Produkts gehört eine Export-Funktion der Metadaten mit einer zum Virtual Observatory kompatiblen Struktur. Darüber wird der Zugriff auf die Daten für astronomische Arbeiten erfolgen. Der VO-Standard ermöglicht bereits eine OAI-PMH-konforme Darstellung der Metadaten. Es soll jedoch auch eine erweiterte Struktur ausgegeben werden, die OAI-PMH 2.0 unterstützt. Das Projekt soll neben den astronomischen Anwendungen auch ausloten, inwieweit diese wissenschaftlichen Sammlungen in umfassende digitale Bibliotheken integrierbar sind. Zielportale sind dabei die Deutsche Digitale Bibliothek sowie die europäische digitale Bibliothek, Europeana. In dem jüngst erschienen Reflektionspapier über die Digitalisierungsvorhaben der Europäischen Kommission, "The New Renaissance", werden die wissenschaftlichen Kulturgüter ausdrücklich erwähnt: "Culture is not only limited to the traditional field of arts and letters, but also encompasses science [...] which we need to preserve and make accessible to all in the digital era." Unser Projektvorschlag konserviert die wissenschaftlichen Erfahrungen über mehr als hundert Jahre und ist ein maßgeblicher Schritt in diesem Sinne.

Ergebnisse und Initiativen

Über das Web-Archiv APPLAUSE (Archives of Photographic PLates for Astronomical USE), das vom AIP gehostet wird, sind die Daten frei zugänglich und mit einer CC0-Lizenz abrufbar. Die am 24.05.2015 veröffentlichten Daten umfassen 25.612 Scans von 19.335 Fotoplatten aus Bamberg, Hamburg und Potsdam, die in den Jahren 1909-1976 entstanden sind. Mit der im Projekt entwickelten Software PyPlate konnten aus diesen Digitalisaten 1,66 Milliarden Quellen extrahiert werden. Über ihre Positionsdaten und Helligkeiten wurde bislang mehr als die Hälfte in anderen Sternkatalogen identifiziert. Zusätzlich enthält das Archiv 26.526 digitalisierte Aufnahmen von Plattenhüllen und Logbuch-Einträgen aus 77 Logbüchern. Der erste Datenrelease publiziert insgesamt 17 Terabyte an Datenmaterial, das über Datenbankkataloge effizient zugänglich ist. Die digitalisierten Platten erfassen 98,9 Prozent des gesamten Himmels. Neben Sternen sind auf den Photoplatten auch Himmelskörper des Sonnensystems zu sehen. In den Log-Büchern sind außerdem Messungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit verzeichnet, sodass beispielsweise Temperatur-Zeitreihen für die jeweiligen Observatorien erstellt werden können. Der jetzige Datenrelease macht etwa die Hälfte der derzeit digitalisierten Bestände online zugänglich. Ein zweiter Datenrelease ist noch für dieses Jahr geplant.

Weblinks

Literatur

Eine Liste von projektspezifischen Publikationen, die regelmäßig erweitert wird, ist auf der Wiki-Seite des Projektes zu finden.